Nach der Festnahme des Staatsanwaltes des Bezirks Erzincans durch einen anderen Super-Staatsanwalt des Bezirkes Erzurum, und der anschliessenden umgehenden Entbindung des Erzurumuer Superstaatsanwaltes seines Amtes durch die hohe Staatsanwalts- und Richterkammer in der Türkei ist es stürmig geworden in der türkischen Politik - Landschaft.
Dabei muss natürlich alles in einem grossen Kontext gesehen werden.
Rückblende:
Hin- und hergerissen zwischen dem möglicherweise nicht lösbaren Widerspruch, eine 'gewöhnliche' Demokratie der Staatengemeinschaft sein zu wollen und der Tatsache, das die Existenz der 2800 Jahre andauernden Staatskultur der Turkvölker durch Gründung der Staaten vom Militaers definiert wurde, und nicht durch den Adel, Dynastien, der Bourgeouisie, durch Geldbarone oder geheimen Brüderschaften und Freimaurerlogen, versucht die moderne Türkei eigentlich nichts anderes, als eigentlich von aeusseren Einflüssen in Ruhe gelassen zu werden in den 87 Jahren ihrer Existenz.
Doch wie ein hoher MI6 Beamter bereits in der Vergangenheit wieder und wieder wiederholte: Die Türkei ist zu wichtig, als es den Türken allein zu überlassen.
Das Ende der 90'er mit der Koalition unter Ministerpraesidenten Ecevit in die Wege geleitete Doppelkonzept der Demokratisierung der Türkei mit gleichzeitiger militaerischer Ablösung von dem Einfluss der USA, getreu der Linie der stets konstruktiv aber international neutralen Haltung Atatürks führte zu erheblichen Akzeptanzproblemem der USA.
Wie im Falle Irans (damals hielt der Westen Khomeini im Exil in Frankreich gegen das Schah - Regime) haelt man heute in den USA seit geraumer Zeit ein religiöses trojanische Pferd (Fethullah Gülen, der Führer der Gülen-Sekte Nur), das man mittlerweile jedoch in der Türkei zu nutzen angefangen hat.
Möglich wurde dies aber erst durch eine 'neue' Partei, dessen Aktionaere, die sich von dem religiösen Biedermann Erbakan absplitterten, und nun seit 2 Legislaturperioden, dem undemokratischen Wahlsystem und Wahlcomputern (!) seien Dank, ohne Koalitionspartner regieren.
Die AKP, dessen fundamentalistisch-islamischen Schergen mit der Rückendeckeung der USA und (auf Grund der Aufnahme in Privatisierungsdeals) auch Israels nun ihre 'Revanche' am Kemalismus nehmen dürfen, geht mit Regimekritikern nicht mehr sehr zimperlich um.
Dabei bedient sie sich immer einer Begründung:
Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Unterstützung zum Umsturz gegen die AKP - pardon - gegen die rechtlich durch Wahl legitimierte Partei.
Mindestens 75% der AKP Abgeordneten sind Angehörige irgendwelcher islamischer Glaubensbrüderschaften und islamischer Sekten.
Und genau das ist der Grund, warum, seit die AKP in der Regierungsverantwortung ist, nicht gegen religiöse Sekten und Bruderschaften rechtlich vorgegangen werden darf.
Doch einige Anwaelte nehmen es sehr genau mit der Gewaltenteilung und scheren sich deshalb nicht um Oligarchen wie Premier Erdoğan.
Der Oberstaatsanwalt des Bezirks Erzincan hat seit einigen Jahren einige hochkaraetige Sekten und Religiöse Bruderschaften im Visier seiner Untersuchungen, die in dieser Region in Ostanatolien mehr als aktiv sind.
Der Regierungsscoup gegen die türkische Justiz scheint ein einduetiger Beweis dafür zu sein, das der Staatsanwalt offensichtlich auf ein Wespennest der islamischen Sekten gestossen ist.
İlhan Cihaner wurde 2007 in Erzincan die Aufgabe des "Cumhuriyet Başsavcısı" ("Oberstaatsanwalt der Republik") zuteil.
(aus Necati Doğan's Zeitungsbericht, VATAN)
Die Situation in der Region stellt sich wiefolgt dar: Man stelle sich fogendes Netzwerk in der Region vor.
- Überall befinden sich islamische Schulen,
- überall finden sich Sekteneinrichtungen.
- Damit verdrahtet wurden Firmen, die über/mit/mit deren Genehigungen Geschaefte in der Region taetigen dürfen.
- Durch die Sektenmitglieder auf Regierungsebene wird in der Region eine solide Wirtschaftsförderung betrieben, die eine Mitgliedschaft in den Sekten bedingt, oder ihren Zehnt einfordert! Ohne dies wird das Betreiben eines Geschaeftes zusehends unmöglicher in der Region!
- nach Erzurum,
- İstanbul,
- Gümüşhane,
- Kelkit,
- Kars,
- Ağrı,
- Bayburt,
- Kayseri,
- Van,
- Trabzon,
- Bursa,
- Çankırı,
- Sakarya,
- Konya
- und Ordu auf über 13 Ordenszentren in der Türkei erstreckt.
Jedes Gebiet unterhaelt
- ihr eigenes Sektenzentrum,
- eigene religiöse Vereine
- eigene Koranschulen,
- eigene Stiftungen und
- eigene Spendenannahmestellen.
Man kann aber doch sagen: na und?
Hier gibt es doch auch zahlreiche Orden und Bruderschaften?
Alle haben Einfluss.
Alle Geld und Immobilien.
Alle verantworten sich allein vor ROM.
Ja, klar kann man das!
Aber man kann hier in der BRD - trotz der Orden - Geschaefte machen, Restaurants mit Alkoholausschank eröffnen, gut leben ohne Sonntags in die Kirche gehen zu müssen, Frauen können trotz Ordens ohne Kopfbedeckung leben und dürfen weiterhin Hosen tragen, oder oder oder...
Das geht eben in den Bereichen, in denen die islamischen Sekten ihren Einfluss haben in Anatolien, fast gar nicht mehr.
Und: durch die Unterwanderung der Exekutive (Polizei) durch die Gülen Sekte wird dieser Zustand sogar gefördert!
Der Oberstaatsanwalt von Erzincan hat offensichtlich in Erzincan noch mehr zu Tage gebracht. Die Sekten und Orden waren sehr aktiv:
- in Geldwaesche
- in Faelschung von Expertisen, Genehmigungen, Diploma und Zertifikaten und Genehmigungen für 'Ihre Firmen' und 'Mitglieder'
- Wünsche der Sekte wurden zur Ausführung direkt an das Amt für Religionsangelegenheiten des Staates weitergeleitet
- sie entschieden über die Entsendung von Imamen (statt des Amtes für Religionsangelegenheiten)
- Kinder werden bereits mit 4 Jahren (!) in Koranschulen gedrillt
- Lehrer, die auf die Hort- und Schulpflicht der Kinder verwiesen, die in die illegalen Koranschulen gefercht wurden, wurden bedroht
- Öffentliche Bedienstete wurden, je nach politischer Haltung des betroffenen, entlassen, umversetzt oder eingestellt (entscheiden tut dies stets die Sekte)
- es wurden Wahlberechtigte zu Gunsten der AKP generiert und in die Ortsaemter eingetragen - von 2006 - 2008 stieg durch diesen Betrug die Zahl der Wahlberechtigten - in ZWEI Jahren - um 6,5 Millionen in der Türkei an!
- Ausschreibungsbetrug
- Einschüchterung und Repressalien gegen ortsansaessigen Presseorgane
- Versuch der Einflussnahme der Justiz
- Organisation von Tonbandaufnahmen gegen 'unbequeme' Bürgermeister und Abgeordnete der Opposition
- Absprachen mit zwei Ministern über den Transfer von Fördergeldern und Geschaeften
- direkte, untersuchungsbefreite Erteilung von Baugenehmigungen der Grosstadtverwaltung Istanbul an sektennahe Firmen für Bauvorhaben
- Expertisen- und Ausschreibungsbetrug in İstanbul, an dem der Bürgermeister Topbaş (AKP), Ahmet Albayrak (Gründer des fundamentalistischen Hetzblatts Yeni Şafak), der Sektenleader Mahmut Ustaosmanoğlu sowie der Sektenführer Ahmet Mahmut Ünlü AKA "Cübbeli Ahmet" beteiligt sind
Die Liste liest sich in der Tat ganz gut.
Der Oberstaatsanwalt sammelte überall Beweise, lies - GENEHMİGT - Telefone der Verdaechtigten abhören, lies unabhaengige Gutachten und Expertisen bei Bauvorhaben erstellen um diese mit den des Netzwerks zu vergleichen etc.
Wie vollzieht sich ein Strafprozess?
Klaerung des Sachverhalts,
Ermittlung,
Beweisfindung,
Klageschrift,
Haftbefehl,
Prozess.
Der festgenommene Oberstaatsanwalt befand sich unmittelbar vor der Anklage und damit einer Gerichtsverhandlung der betroffenen Personen und erliess sogar Haftbefehle gegen Erdoğans Kumpel und Zeitungschef Ahmet Albayrak (ach übrigens: ein anderer Zeitungschef (atv - Sabah) ist Erdoğans Schwiegersohn ;-)!
Doch die Gerichtsverhandlung konnte - oh Wunder - abgewandt werden!!!
Ab hier lies sich alles wie gewohnt: Die Gülen-Sekte tritt in Aktion.
Ihre 'für die demokratische Sache' agierend geschmierten Staatsanwaelte (!) erlassen einen Haftbefehel gegen den Oberstaatsanwalt Cihaner, der - offensichtlich - viel zu tief gegraben hatte.
Anschuldigung gegen den Oberstaatsanwalt:
Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung, die den Umsturz der AKP plant (der berühmte politische Schauprozess Ergenekon in Silivri bei Istanbul).
Das ist man frech.
Damit kommt sowohl die AKP als auch ihre Sektenkompagnons natürlich nicht durch, das ist auch der AKP klar.
Doch: die Dynamik der Nachforschungen in den Machenschaften der Sekten ist gebrochen.
Erst einmal.
Die Sekten sowie das Justizministerium haben nun genung Zeit, Beweise zu vernichten und Spuren zu verwischen.
Es wird aber immer mehr ersichtlich, das diese Aktion nicht nur um die Vertuschung der sozio- ökonomischen Machenschaften der Sekten mit der AKP und der Wirtschaft ausgelegt ist.
In Südostanatolien z.B. bestehen organische Verbindungen zwischen diesen Sekten, der Hisbollah, der El Kaeda, der Hamas, der Taliban und zu der - atheistischen - PKK.
Wenn z.B. herauskommt, das mit türkischen Sektengeldern auch die Taliban finanziert wurden, kann das Kapitel "Güte der USA zum İslamisierungskurs der Türkei" - und damit das Kapitel AKP - schnell ein jehes Ende finden.
Es sollte im Interesse der USA als auch das der westlichen Nationen sein, rechtschaffene Menschen, die diese Machenschaften aufdecken, bedingungslos zu unterstützen!
Und: Zu glauben, mit dem 'trojanischen Pferd' Fethullah Gülen den Islam zu unterwandern, ist nicht schicklich, Mr. Obama!
Und: es ist auch nicht möglich.
Schon heute agieren die fundamentalistischen Sekten in der Türkei freier und maechtiger als vor 10 Jahren.
Ab hier wird nicht nur jeder türkische General, sondern auch jeder halbwegs reflektierende Türke sich die Frage stellen:
Wenn die EU oder die USA dies was bei uns geschieht, für Demokratisierung halten - wieso kaempfen sie dann aber gegen eben diese aus demselben Holz geschnitzten Bruderschaften am Hindukusch?
Und - SIE fragen sich das dann bitte mal auch.
./.
Die westliche Presse - oder besser der Westen - ist in einem Dilemma:
Sie hoffte, mit der AKP kemalistische Strukturen in der Türkei aufzuweichen und damit das Militaer in ihre Schranken zu weisen.
Dies ist ihr auch soweit gut gelungen.
Doch wie immer hat etwas GUTES auch etwas BÖSES an sich, speziell wenn man eine Gruppe im Lande gegen eine andere im Lande aufwiegelt und fördert (ja, wir kennen das von den Hutus und Tutsis in Rwanda, oder den moslems und juden in Aethiopien oder Nord- oder Südkorea).
Eine islamische Republik Türkei - das ist - weiss Allah/Gott/Elat/Buddha - das letzte, das die Welt braucht.
Oder müssen die Türken wieder nach Wien oder diesmal nach UTAH oder FLORIDA, das man sich daran erinnert, das die Türken aus Anatolien lediglich ein durch die Liebe, Vertrauen und Stolz zu Atatürk zivilisiertes Volk von Kriegern ist?
Denken Sie mal auch bitte darüber nach, liebe Presse und liebe Politiktreibenden im Westen!
